Vereinsgeschichte


 

Heinrich Triepel (1868–1949)


Die Initiative zur Gründung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer ging 1921/22 von dem Berliner Staats- und Völkerrechtler Heinrich Triepel (1868-1949) aus. Er formulierte im September 1922 ein Rundschreiben und lud auf den 13./14. Oktober 1922 nach Berlin ein. Von den siebenundsechzig eingeladenen Professoren aus Deutschland, Österreich, der deutschsprachigen Schweiz sowie aus Prag erschienen dreiundvierzig. Man beschloss eine Vereinsgründung mit Satzung und Vorstand (Triepel, Anschütz, Stier-Somlo), informierte sich über die Stellung des Staatsrechts im Universitätsunterricht und hörte einen Vortrag von Richard Thoma über das richterliche Prüfungsrecht.

 

Die Gründe für diese Initiative lagen im Bedürfnis nach gegenseitigem Austausch unter den Bedingungen der Nachkriegszeit, vor allem aber in der neuen Verfassungslage, die zu gemeinsamer Beratung anregte. Die Gründung sollte daneben eine befürchtete politische Spaltung der Staatsrechtslehrer durch eine besondere Betonung der Wissenschaftlichkeit der Berichte und Diskussionen verhindern. Gleichzeitig behielt man sich aber vor, „in wichtigen Fällen zu Fragen des öffentlichen Rechts durch Eingaben an Regierungen oder Volksvertretungen oder durch öffentliche Kundgebungen Stellung zu nehmen“.  Die Motive waren also gemischt; sie waren wissenschaftlicher und wissenschaftspolitischer, standes- und universitätspolitischer Natur. 

Die Vereinigung tagte von 1924 an jährlich an wechselnden Orten und griff in den Jahren der Weimarer Republik ausgesprochen aktuelle Themen auf, etwa die Frage nach dem Föderalismus unter der neuen Verfassung, die Diktaturgewalt des Reichspräsidenten, die Grundrechte, die Staatsgerichtsbarkeit und das Wahlrecht. Bald bürgerte sich ein, je ein Doppelreferat zum Staatsrecht und zum Verwaltungsrecht halten zu lassen. So wurde über die Lage der Verwaltungsgerichtsbarkeit berichtet, über das Kommunalrecht, das Steuerrecht, das Verwaltungsrecht der öffentlichen Anstalt und das Recht des öffentlichen Dienstes. 

 

In der Endphase der Weimarer Republik fiel schon die Tagung des Jahres 1932 aus. Als dann das „Kabinett Hitler“ an der Macht war, ließ man auch die folgende Tagung „mit Rücksicht auf die politische Lage“ fallen. Die Opfer des nun zur Regierungspolitik gehörenden Rassismus sowie der politischen Unterdrückung schieden aus der Vereinigung aus, an der Spitze das Vorstandsmitglied Hans Kelsen. Die beiden anderen Vorstandsmitglieder, Carl Sartorius und Otto Koellreutter, legten den Vorsitz nieder, führten die Vereinigung formal bis 1938 weiter und lösten sie dann auf. Koellreutter wurde ermächtigt, die Akten der Vereinigung zu vernichten. Letzteres ist offenbar auch geschehen. Während des Zweiten Weltkriegs gab es zwar Treffen von Staatsrechtslehrern, aber es waren keine Treffen der Vereinigung und sie waren auch nicht in anderer Weise repräsentativ. Insgesamt drückte sich in diesem äußeren Verfall auch der innere Bedeutungsschwund des Fachs unter den Bedingungen der Diktatur aus. 

Der Neuanfang der Vereinigung ging zunächst von Walter Jellinek, dann auch von Erich Kaufmann, Hans Helfritz und Richard Thoma aus. Bei der Frage, wen man zur ersten Tagung am 21. Oktober 1949 einladen könne oder solle, brachen die politischen Fragen der NS-Belastung, des Verhältnisses zu den ins Ausland vertriebenen Kollegen, der Aufnahme von Kollegen aus der „Ostzone“ sowie des Neubeginns mit denjenigen in der Schweiz und in Österreich auf. In der Atmosphäre des „Kalten Kriegs“ und einer auf Integration angelegten Innenpolitik setzte sich bald eine nachsichtige Linie durch, was die nationalsozialistische Vergangenheit anging, ausgenommen einige Fälle eindeutigen Engagements für den NS-Staat. Klar ablehnend verhielt man sich dagegen gegenüber neuen Aufnahmevorschlägen aus der „Ostzone“. Ab etwa 1951 war die so definierte Normalität wiederhergestellt. An den Themen der jährlichen Tagungen zeigt sich allerdings, wie eng die Vereinigung und ihre Geschichte mit den politischen Fragen der Nachkriegszeit verzahnt war. Referate über „Enteignung und Sozialisierung“ (1951), „Der deutsche Staat 1945 und seither“ (1954) oder „Die Berufsbeamten und die Staatskrisen“ (1954) bezogen sich auf höchst konkrete Probleme, um deren Beantwortung mit Leidenschaft gerungen wurde. 

 

Hierüber und über die Tagungen der folgenden Jahre hat Hans Peter Ipsen ausführlich berichtet. Alle wichtigen Themen des inneren Aufbaus der Bundesrepublik, der Wiedergewinnung der Souveränität und des Hineinwachsens in Europa sind behandelt worden, ebenso wie grundsätzliche, aber auch speziellere Fragen des modernen Verwaltungsrechts. Zwei Ausnahmen von den normalen Abläufen verdienen allerdings hervorgehoben zu werden: zum einen die Sondertagung der Vereinigung in Berlin zum Thema „Deutschlands aktuelle Verfassungslage“ (April 1990), also zum damals noch nicht abgeschlossenen Prozess der Wiedervereinigung, zum anderen die 50 Jahre nach der Wiederbegründung der Vereinigung gehaltenen Vorträge über „Die deutsche Staatsrechtslehre in der Zeit des Nationalsozialismus“ (2000). 

 

Die Vereinigung ist im Laufe der Jahrzehnte von etwa 100 Mitgliedern (1950) über 200 (1970) auf heute 800 Mitglieder angewachsen. Hierin kommt die Ausweitung des Universitätsstudiums in den 1970er Jahren, der Bedeutungszuwachs des Öffentlichen Rechts und des Europarechts sowie die Neugründung von Juristischen Fakultäten in den neuen Ländern zum Ausdruck. Das verändert die Kommunikation der Mitglieder untereinander und führte zur Gründung von Arbeitskreisen (Verwaltung, Europäisches Verfassungsrecht), die üblicherweise am Mittwochvormittag vor Beginn der Jahrestagung der Vereinigung zusammentreten. Die Referate und Diskussionen der Vereinigung zu den jeweiligen Beratungsgegenständen finden weiterhin im Plenum statt. Nur so wird dem Gründungsgedanken der Vereinigung, Forum gemeinsamer Beratung zu sein, hinlänglich Rechnung getragen. 

 

 

Literaturhinweise

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